ALGEN. Im Meerwasser stehen Algen als Sauerstoff-Produzenten am Anfang der Nahrungskette. Sie sind aber auch in vielen Bereichen unseres Lebens zugegen; finden aufbereitet als Nahrungsmittel, Heilmittel oder sogar als Treibstoff Verwendung. Ein vermehrtes Auftreten hat negative Auswirkung auf andere Lebensformen, schadet der Fischerei und behindert Schifffahrt. Málagas Meer und der Kanal gaben die Inspiration für Kalligrafie in Eitempera auf Nylon. Dass die semi-transparenten Stoffbahnen teils beidseitig bearbeitet sind, zeigt sich im Gegenlicht.
BAKTERIEN. Im Ausschussmaterial meines Lochers entdecke ich plötzlich eine Petrischale nach der anderen, kreisrunde Nährböden für Bakterien aller Art. Für mich also Anlass zu Untersuchungen von Farbe, Kontrasten, malerischen und grafischen Strukturen. Ungezählt aber bleibt der Rest, bei mir, bei Ihnen zu Hause. Und doch sind sie überall…
Dabei gibt es neben den schädlichen auch viele nützliche Bakterien – besonders überrascht hat mich eine wissenschaftliche Nachricht, die jetzt in Zusammenhang mit der Erdölkatastrophe an Bedeutung gewinnt – es gibt eine Bakterienart, die im Stande ist, Erdöl mit Hilfe von Enzymen abzubauen und in seine Grundbausteine zu zerlegen – leider ist es bisher nicht gelungen, diese natürlichen Helfer in ausreichender Anzahl zu züchten, um das Meer nach derartigen Unglücken zu reinigen.
Anlass zum Streit gibt es immer wieder im Fall „Evolutionstheorie gegen Schöpfungsgeschichte“: Wissenschaftler sind überzeugt, dass alle Organismen der Erde aus diesen sehr kleinen früheren Vorfahren entstanden. 3,8 Milliarden Jahre dauerte dieser Prozess schon an. An dessen Anfang stand ein Urbakterium. Aus frühen Einzellern entwickelten sich komplexere, oft bizarre vielzellige Wesen. 99 Prozent dieser Lebensformen sind nicht mehr auf der Welt. Noch unter uns sind Nacktschnecke, Stechmücke und Steinpilz – alles Verwandte. Jeder hat einen Stammbaum, dessen Anfang die Urbakterien bilden. Durch zufällige Mutationen in den Genen, Schrittchen für Schrittchen, sind aus Primitivlingen komplexe Kreaturen entstanden. Überall ist Wunderland.
TERMITEN. Ja, der gefrässige Borkenkäfer, er kommt immer wieder in heftigen Wellen über unsere Wälder. Termiten dagegen machen sogar vor verbautem Holz keinen Halt. So betreiben sie mit Hamburgs Fachwerkhäusern seit mehreren Jahrzehnten ihr besonderes Recyclingprojekt. Wo kamen Sie her, die scheuen Baumeister, die gemeinsam das Große vollbringen? Einreise per Schiff um 1918 wird vermutet, im Baumaterial gestrandet an Hamburgs Hafen und nicht mehr einfach auszuweisen.
Existiert neben unserer Welt also womöglich noch eine zweite, parallele? Auch in dieser entstehen immer neue Hochhäuser, Türme und Kathedralen. Ein Bauprojekt nach dem anderen. Das alles passiert im Verborgenen - alles geheim, natürlich. Und wie lange funktioniert dieser Bauwahn, wo kommt unsere Welt zuerst aus dem Gleichgewicht. Wo bilden sich die ersten Hohlräume und bricht plötzlich alles unter uns weg? Was zerfällt, was bleibt?
Die Arbeiten in Acryl auf Linol (auch eine Art der Wiederverwertung) zeigen Landschaftszüge dieser Parallelwelt. Gegenüber die Miniaturen aus Zucker, geheime Bauvorhaben der Termiten, die Passaus ungenutzte Plätze bevölkern oder einen Dialog mit bestehender Architektur eingehen. Die reellen Hügel können übrigens bis zu hundertfach größer sein als meine Zuckertürme, dabei ist dies nur der oberirdische Teil eines Baus.
Die Termiten lassen sich zu den Destruenten ordnen, denn auch sie bauen Zellulose ab und wandeln Sie in Zucker um, wenn auch mit Hilfe der in Ihrem Darm lebenden Bakterien.
PILZE. Es werde Pilz – Gedanken zu Sonderlingen
Nach endlosen Debatten, ob der Pilz nun zu den Pflanzen oder Tieren zähle, hat man sich geeinigt, dass der Pilz eine Sonderstellung unter den Organismen einnehme: Er sei zwar sesshaft in seiner Lebensweise, aber er betreibe schliesslich keine Photosynthese. Dagegen finde man (ganz so, wie es im Tierreich üblich ist) in ihrem Stoffwechsel Harnstoff und der Pilz bilde seine Zellwand aus Chitin, dafür fehlen aber wiederum andere wichtige Merkmale im Zellaufbau.
Groß ist es, das Reich der funga - ja, wir sehen sie genau, all die vielfältigen Zeichen an Boden, Bäumen und manch anderen Orten. Von den 100.000 Arten, die beschrieben wurden, sind nur wenige essbar, dann gibt es die, die, nur im Untergrund zu finden sind, diese umschließen die Wurzeln von Bäumen mit Ihrem Mycel und versorgen den Baum erst so mit ausreichend Nährstoffen (im Gegenzug fordern sie Zucker, Eiweiße und Vitamine). Und da sind solche, die krank machen, aber auch ein paar mit Heilkraft. Und es gibt die, die uns den baldigen Baumtod voraussagen, im Wald aber sind sie tatsächlich alle nützlich, denn mit dem Zersetzungsprozess von organischer Materie sorgen sie dafür, dass wir nicht knietief im Blättermeer waten und die Pflanzen nicht darin ersticken. Pilze sind die Ernährer des Waldes.
Meine Aufmerksamkeit aber gilt hier im Besonderen den Baumschwämmen:
Weißes Wegenetz
Wegweiser denen,
welche wachsen,
in waagrechten Wellen
vertikal empor.
Wald, wir alle
wartend
Deiner Wipfel Wiederkehr.
VS, 2010